Es ist angerichtet: Tafeln in Deutschland!
Zum Arbeitsstil unserer Fraktion gehört es, dass wir uns regelmäßig mit der Lebenssituation spezifischer Bevölkerungsgruppen in unserem Kreis beschäftigen. In der Vergangenheit waren das z. B. die Lebenssituation älterer Menschen oder auch der Bedarf und die Wirksamkeit soziokultureller Arbeit.
Die Tatsache, dass Tafeln nun seit zwanzig Jahren in diesem Land existieren und regelmäßig 1,5 Millionen Menschen versorgen, hat uns veranlasst, in der 44. und 45. Kalenderwoche diese Thematik vor Ort mal genauer zu betrachten. Wir konnten aus den Gesprächen vor Ort in Großenhain, Gröditz, Coswig, Meißen und Riesa Beeindruckendes erleben und gleichzeitig ist uns sehr bewusst geworden, dass die Tafeln, oft auch als Armenversorgung bezeichnet, eigentlich nicht in dieses reiche Land passen.
Wir haben in den Gesprächen mit den Betroffenen gespürt, dass sich viele von Ihnen überwinden mussten, die Hilfe der Tafeln in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig ihre Hilfe sehr wertschätzen, weil ihre Lebenssituation sonst noch komplizierter zu bewältigen wäre.
Die Regelsätze für Hartz IV und Grundsicherung im Alter wurden u.a. oft als Ursache für die Hilfsbedürftigkeit benannt. Zum Jahresende 2014 lebten in unserem Kreis immerhin 23.851 Menschen unter der Mindestsicherungsquote. Das sind rund 10% aller Einwohner des Landkreises. Auf 1.000 Bewohner berechnet, betrifft das 173 Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre, 119 15- bis 65-jährige und 9,4 über 65-jährige.
Für uns ist das keine akzeptable Situation. Deshalb fordern wir bedarfsgerechte Regelsätze und eine armutssichere Renten- und Lohnpolitik!
Für unser Verständnis verstößt es gegen die Würde des Menschen, wenn sie fremdbestimmt versorgt werden müssen, denn zu den Grundrechten der Bürger gehört auch die Teilnahme am kulturellen Leben und die bloße Existenz der Tafeln zeigt, dass diese Teilhabe nicht gewährleistet ist. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass nicht wenige Menschen sich keinen Kinobesuch oder ein Buch leisten können. Sicher kann man darüber streiten, ob das lebensnotwendig ist. Wir sind der Meinung, auf lange Sicht bedeutet das, dass Menschen aus der Gesellschaft herausfallen. Gleichzeitig haben wir aber erlebt, dass ihre Wünsche oft sehr bescheiden sind.
Diese Sorgen bestimmen umso mehr unsere hohe Wertschätzung für das Engagement der Ehrenamtsarbeit an den Tafeln unseres Kreises. Viel ließe sich über Details des Fleißes und der Anteilnahme der HelferInnen berichten. Lobenswert waren für uns Aussagen, dass die Tafeln in ihrer Mehrheit eine gute Unterstützung von den Stadtverwaltungen erfahren. Sie nannten uns aber auch ihre Sorgen hinsichtlich des wachsenden Bedarfs an Lebensmitteln auf Grund steigender Zahlen Bedürftiger, auch unter Asylsuchenden/Flüchtlingen. Eine weitere Sorge ist die mangelhafte finanzielle Ausrüstung der Tafeln und den damit eingeschränkten Möglichkeiten notwendige Investitionen zu tätigen, vor allem hinsichtlich der hygienischen Lagerung und der umfangreichen Transporte und Logistik.
Sie regten an, das Einwerben von Spenden sei es von Privatbürgern/Kleingärtnern, Unternehmen vom Bäcker bis Discounter, noch öffentlichkeitswirksamer zu unterstützen.
Wir werden alle von uns erfassten Problemlagen in unsere Arbeit direkt einbeziehen und aus der aktuellen Erfahrung heraus uns in die gesellschaftliche Debatte zur materiellen Daseinsfürsorge als Aufgabe des Sozialstaates einbringen. Allen die mit uns offen und ehrlich das Gespräch geführt haben, ein herzliches Dankeschön. Bleiben Sie gesund.
Kategorien: Kreistagsfraktion Meißen, Fraktionsarbeit
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