30. January 2013 Dagmar Gorek

Kommunale Verantwortung bei der Umsetzung von Hartz IV - Kosten der Unterkunft

Zu diesem Thema wurde am 19. Januar 2013 vom Kommunalpolitischen Forum Sachsen e.V. ein Seminar im Haus der Gewerkschaft in Dresden durchgeführt.

Wenn es um kommunale Verantwortung geht, sind vor allem Kreisräte und Stadträte gefragt. Entsprechend zahlreich waren diese anwesend, um ihre Erfahrungen im Umgang mit den Richtlinien zu angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung auszutauschen.

Referenten waren:

Silke Brewig-Lange, Rechtsanwältin (Chemnitz)

Hans-Jürgen Muskulus, Parl.-wissenschaftlicher Berater der Linksfraktion im Sächsischen Landtag

Dr. Mathias Wagner, Mieterverein Dresden, Vortrag zur Entstehung eines Mietspiegels

Moderator: Ralf Büchner, Kreisrat Bautzen

Die Linksfraktion des Kreistages vom Landkreis Meißen war mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Bärbel Heym und den Kreisräten Joachim Fröhlich und Dagmar Gorek vertreten.

Mit Urteil vom 22.03.2012 - B4 AS 16/11 R hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Die Herleitung angemessener Richtwerte muss entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung schlüssig sein.

Der Grundsicherungsträger hat in folgenden Schritten, die angemessenen Kosten der Unterkunft, getrennt zwischen Brutto-Kaltmiete und Heizkosten zu bestimmen:

1. Feststellung einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und eines angemessenen Wohnungsstandards

2. Bildung eines räumlichen Vergleichsmaßstabes (generell der Wohnort)

3.Ermittlung der Kosten für eine angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt

4. Prüfung, ob die abstrakt angemessene Wohnung auf dem Wohnungsmarkt überhaupt angemietet werden kann

Diese Schritte sind solange zu durchlaufen, bis die Forderung in Punkt 4 erfüllt ist. Das heißt, dass vor allem in Punkt 1, der sich weitgehend auf landesrechtliche Festlegungen

stützt und die Wohnungsgröße pro Person festlegt, bei weiteren Erstellungsdurchläufen es zu einer Abweichung nach oben kommen kann. So z.B. in Chemnitz. Dort wurde auf der Grundlage des vorhandenen Wohnungsbestandes die angemessene Größe für eine Person auf 48 m² festgelegt. Gleiches kam im Vogtlandkreis zustande (laut Aussage von Dr. Dorothea Wolff, Sozialforum Göltzschtal). Schritt 3 ist in den meisten Fällen der aufwändigste. Die Ermittlung der Kosten hat unter Anwendung eines schlüssigen (und nachvollziehbaren) Konzeptes zu erfolgen.

Unter dem "schlüssigen Konzept" versteht das BSG ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.

Für die Bestimmung, ob eine KdU-Richtlinie den Anforderungen des BSG entspricht, sind die Rohdaten, die Schlussfolgerungen und die dazu führenden Entscheidungskriterien notwendig. Ohne plausible und nachprüfbare Informationen ist die Schlüssigkeit des Konzeptes praktisch nicht nachweisbar!

Die Forderung nach einer systematischen Ermittlung der Roh/Ausgangsdaten verursacht den Grundsicherungsträgern in vielen Fällen sachliche Schwierigkeiten und wird deshalb gern einer externen Beratungsfirma übertragen. Es bedarf aber der Hoheit des Grundsicherungsträgers über alle im Rahmen der KdU relevanten Daten.

Für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers wird eine Begrenzung der Amtspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet. Wenn ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht vorhanden sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes gerechtfertigt.

Im Juli 2012 hat der Kreistag Meißen mit der Beschlussvorlage 12/5/0827 auf der Grundlage eines schlüssigen Konzeptes die neue Verwaltungsvorschrift "Regelung zu den Kosten der Unterkunft und Heizung" beschlossen. Sind damit nun alle Probleme gelöst?

Ich bin selbst Leistungsempfänger und stelle meinen letzten Bescheid auf den Prüfstand.

Für meine Coswiger Wohnung sind für einen 1- Personen- Haushalt angemessen:

267,30 EUR Kosten der Unterkunft inkl. "kalter" Nebenkosten

50,63 EUR Heizkosten für Fernwärme

Als alleinstehende Person habe ich Anspruch auf 45 m² Wohnraum, bewohne aber 49,81 m². Die Grundmiete beträgt 247,00 EUR, anerkannte Nebenkosten 49,00 EUR macht zusammen 296,00 EUR. Daraus wird abgeleitet eine Kürzung wegen Unangemessenheit 28,70 EUR, anerkannte Heizkosten 30,00 EUR, damit eine Nichtinanspruchnahme 20,63 EUR.

Die Bedarfsfestsetzung weist aus: Mietanteil 218,30 EUR, Nebenkostenanteil 49,00 EUR, Heizkostenanteil 30,00 EUR, macht zusammen 297,30 EUR. Ich zahle aber monatlich 326,00 EUR.

Habe ich eine besonders luxuriöse Wohnung? Nein, ganz normaler Plattenbau mit den jetzt standardgerechten Merkmalen. Während der Coswiger Mietspiegel für die Wohnungsgröße bis 45 m² und für die über 45 m² bis 60 m² fast identische Werte, nämlich eine Spanne von 4,41 bis 5,60 EUR/m² ausweist, ordnet die Mietwerttabelle Wohnungsmarkt I den kleineren Wohnungen eine Nettokaltmiete von 4,88 EUR/m² und den größeren Wohnungen eine Nettokaltmiete von 4,40 EUR/m² zu. Und hier liegt wohl der "Haase" begraben! Meine Netto-Kaltmiete beträgt 4,96 EUR/m².

Würde man in der Spalte ablesen, in welche mein Einpersonenhaushalt gehört, wäre alles "in Butter". So aber geht man nach der tatsächlich bewohnten Fläche.

Eine "Entspannung" der Situation wäre nur durch das Heraufsetzen der angemessenen Wohnungsgröße für eine Person möglich. Wohnungen bis 45 m² gibt es in Coswig nur als Einraumwohnungen. Die liegen bei 37 m² und sind weder in ausreichender Menge vorhanden, noch für ältere Alleinstehende mit erwachsenen Kindern eine Alternative.

Wir sollten hinterfragen:

Wie groß ist der Anteil der 1-Personen Bedarfsgemeinschaften und wie groß ist der Anteil der 45 m² Wohnungen am Wohnungsbestand?

In welchem Umfang werden Kürzungen wegen Unangemessenheit vorgenommen, unterteilt nach Brutto-Kaltmiete und Heizkosten?

Welche Auffassung des Sozialgerichtes Dresden ist mit der Rechtsprechung vom 29.06.2010 unter dem Aktenzeichen S40 AS 391/09 verbindlich?

Dazu noch folgende Bemerkung: Bis 2011 wurden Vorauszahlungen dem angerechnet, der diese geleistet hatte. Seit der Betriebskostenabrechnung 2012 werden Gutschriften bei den Heizkosten insgesamt mietmindernd bei den KdU angerechnet, auch wenn darin wegen Nichtanerkennung selbst getragene Anteile stecken. Damit erfolgt im Nachgang die Kürzung einer zuvor bewilligten Leistung.

Coswig, 30. Januar 2013, Dagmar Gorek

Kategorien: Standpunkte

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