Redebeitrag des Kreisrates Rüdiger Böttcher zu den Kosten der Unterkunft
Herr Landrat, meine Damen und Herren Kreisräte, werte Gäste,
es gehört sicherlich nicht zu den Sternstunden eines Kreisparlamentes, über Kosten der Unterkunft zu entscheiden.
Denn politisch geht es dabei um Armutsverwaltung in diesem reichen Deutschland. Und ich würde lieber den Reichtum verteilen, von dem ich täglich in der Zeitung lese. Aber der kommt in unserem Kreisparlament nicht an.
Wir entscheiden ganz freiheitlich-demokratisch darüber, wie Menschen zu wohnen haben.
Ich gestehe, ich habe da erhebliche Bauchschmerzen, auch wenn das zugespitzt formuliert ist. Aber ich weiß natürlich - es geht um die Lebenswirklichkeit zehntausender Menschen in unserem Landkreis - ich rede da nicht so gern von "Bedarfsgemeinschaften" (knapp 14 000).
Diese Menschen, die zudem ganz überwiegend unverschuldet von Transferleistungen abhängen (Schleckerfrauen), brauchen unsere solidarische Unterstützung. Und sie bekommen sie.
Und es ist gut, dass mit der Sozialgesetzgebung ein Anspruch darauf festgeschrieben wurde und es ist gut, dass dieser Anspruch inhaltlich und juristisch weiter qualifiziert wird.
Hier möchte ich gern den vorliegenden Entwurf der neuen Verwaltungsvorschrift eingeordnet sehen. Er ist die Reaktion auf die hier schon zitierte Forderung des Bundessozialgerichts, regional angemessene Kosten der Unterkunft zu ermitteln, die auf einem überprüfbaren schlüssigen Konzept der Datenerhebung und -auswertung beruhen und anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätzen folgen.
Wir haben das vorliegende Material kritisch geprüft - auch angesichts der eingangs dargestellten politischen Brisanz und der sozialen Bedeutung des Themas - und kommen zu folgenden Wertungen:
Es war richtig, einen externen Spezialisten mit dieser Aufgabe zu betrauen. Sie ist meiner Meinung nach von einer Kreisverwaltung nicht leistbar, sondern gehört - was die Methodik betrifft - in die Kompetenz des Bundes, damit nicht jeder Kreis das Fahrrad neu erfinden muss - Risiken und Nebenwirkungen eingeschlossen. Die Hamburger Firma Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft mbH konnte die Erfahrungen aus 55 Kreisen der Bundesrepublik einbringen, in denen sie in dieser Sache tätig war. Ich hatte Gelegenheit, den Fachvortrag der Firma im Sozialausschuss zu verfolgen.
Er hat etliche meiner Fragen beantwortet und Bedenken zu zerstreuen vermocht - insbesondere dadurch, dass er über den Verwaltungsakt hinausgeschaut hat, der so eine Vorschrift natürlich ist und sein muss, und sowohl die sozialen als auch die finanziellen Folgen für alle Beteiligte im Auge hatte.
Z.B. was ist angemessene Ausstattung?
Und - auch das ist für uns natürlich wichtig: Die gewählten Erfassungs- und Berechnungsmethodiken sind mit der Rechtsprechung abgestimmt, die vorliegenden Ergebnisse 'gerichtsfest'.
Es gibt also eine Reihe sehr gewichtiger Argumente, die für das vorgelegte Konzept sprechen:
Aber es bleiben auch Fragen offen: Sind die hier interessierenden Wohnungsmarkt-Segmente adäquat widergespiegelt? Sind die erforderlichen Wohnungen in Lage, Größe, Ausstattung und Preis so verfügbar, wie dargestellt? Ist das, was uns hier vorgelegt wurde, überhaupt praktikabel?
Das kann nur die Praxis der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift zeigen.
Der Sozialausschuss wird in der Beschlussvorlage mit der Kontrolle und Fortschreibung dieser Regelungen beauftragt (Heizkosten sind demnach jährlich zu aktualisieren, KdU kalt alle zwei Jahre)
Letzte Bemerkung: Diese Verwaltungsvorschrift sieht keinerlei soziale Differenzierung vor, keine Härtefallregelung, nichts dergleichen. Wie ist das mit drohenden Umzügen für Alte, mit behindertengerechten Wohnungen, mit Alleinerziehenden usw. usf.?
Herr Rose hat uns im Sozialausschuss deutlich gemacht, dass es nicht unproblematisch ist, eine solche Verwaltungsvorschrift mit Ausnahme- und Härtefallregeln zu überfrachten. Dafür wurde - wie im Ausschuss gefordert - im Pkt. 2.1.3. die Einzelfallentscheidung explizit in die Vorschrift aufgenommen.
Damit wird klargestellt, dass die im Konzept enthaltenen Mietpreisobergrenzen eine verwaltungstechnische Orientierung darstellen, die keinesfalls die sozial verantwortungsvolle Einzelfallprüfung ersetzen kann, für die natürlich auch ein Entscheidungsspielraum da sein muss. Dies wurde von den Mitarbeitern der Kreisverwaltung bereits in der Vergangenheit so gehandhabt, wofür ihnen ausdrücklich gedankt sei.
Ich werde der Vorlage zustimmen und ihre praktische Umsetzung sehr aufmerksam begleiten, wenn sie denn beschlossen wird - an der Seite der Entscheidungsträger in der Kreisverwaltung und an der Seite der betroffenen Bürger.
Danke für die Aufmerksamkeit
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